Die Psychologie der Reinigung

Datum: 22. Februar 2018 • Autor: Cosmoty.de Redaktion

Von Dr. Simone Schnall, University of Cambridge, Social and Developmental Psychology für NIVEA pure Effect

Wenn wir uns waschen, egal ob das Gesicht oder die Hände, wird die Haut von Schmutz, Bakterien, Keimen und so weiter befreit. Doch gibt es auch die Einsicht oder das Verständnis, dass eine körperliche Reinigung ebenso psychologisch reinigend wirken kann. Wir befreien uns dadurch von etwas, das uns belastet.

Oftmals werden Worte gewählt, die zur Körperreinigung gehören, um einen Menschen als psychologisch oder moralisch reine Person darzustellen. Zum Beispiel heißt es, der oder diejenige handelt sauber, wenn sie etwas Angemessenes macht. Oder: er hat einen unbefleckten Ruf, ein reines Gewissen, eine reine Weste. Das sind Ausdrücke, die körperliche Reinlichkeit gleichsetzen mit psychologischer oder moralischer Reinheit.

Die Frage ist es nun, sind dies nur einfach Redewendungen? Oder ist es vielleicht auch nur Aberglaube?

Wäre ja prima, wenn das funktionieren würde. Das herauszufinden, ist ein Fall für Psychologen in aller Welt. Nicht nur wir Kollegen vom Department of Social and Developmental Psychology an der Universität Cambridge in Großbritannien haben uns ausgiebig mit dieser Problematik befasst.

In den vergangenen Jahren sind eine ganze Reihe von Untersuchungen durchgeführt worden, die sich mit der Wechselwirkung zwischen körperlicher und moralischer Reinlichkeit befasst haben. Viele Psychologen sprechen in diesem Zusammenhang vom Lady-Macbeth-Effekt. Ein Ausdruck, der sich aus dem Schauspiel „Macbeth“ ableitet. Sein Autor William Shakespeare lässt Lady Macbeth darin folgenden Satz sagen: „Wollen diese Hände nimmer rein werden“. Sie hat, gemeinsam mit ihrem Mann, den schottischen König erdolcht. Der Gedanke an die Bluttat lässt sie nicht mehr los, er klebt buchstäblich an ihren Händen.

Wie Psychologen dem so dramatisch benannten Komplex und seiner Auflösung auf die Spur zu kommen versuchen, zeige ich Ihnen jetzt anhand einiger Beispiele:

Die erste Studie

Alle Teilnehmer mussten von Hand eine Geschichte abschreiben. Die eine Hälfte eine „gute“ Story von einem Arbeitskollegen, der einem anderen hilft. Die andere Hälfte eine „böse“ Story von einem Mitarbeiter, der einen anderen sabotiert. Im Anschluss an die Abschrift sollten alle Versuchsteilnehmer verschiedene Produkte bewerten, nämlich Reinigungsmittel wie Seife oder Waschmittel und außerdem Konsumgüter wie Fruchtsaft oder Schokoriegel.

Fazit: Wer die unmoralische Geschichte abgeschrieben hatte, fand die Reinigungsprodukte um einiges attraktiver als die Süßigkeiten.

Die zweite Studie

Hier bekam eine Gruppe die Aufgabe, über schlechte Handlungsweisen nachzudenken. Die Vergleichsgruppe sollte über gutes moralisches Verhalten reflektieren. Als Belohnung für die Teilnahme am Experiment durften alle Probanden dann zwischen einem Erfrischungstuch und einem Bleistift wählen.

Fazit: Von denjenigen, die an unmoralisches Verhalten gedacht hatten, griffen doppelt so viele nach einem reinigenden Erfrischungstuch.

Die dritte Studie

Dabei ging es um die moralische Beurteilung anderer Menschen unter Bezug auf die eigene Sauberkeit. Zuerst sahen alle Teilnehmer einen Film mit Ekel erregenden Szenen. Danach hatte die Hälfte die Möglichkeit, sich die Hände zu waschen, die andere nicht. Im Anschluss mussten beide Gruppen das unmoralische Verhalten Dritter beurteilen. Wie schätzten sie zum Beispiel einen Menschen ein, der eine Geldbörse mit einigen hundert Euro findet und sie einfach behält, anstatt sie abzugeben.

Fazit: Diejenigen, die sich die Hände gewaschen hatten nach dem Film, der Ekel erzeugte, fanden das Verhalten, die Geldbörse einfach einzustecken, weniger verwerflich als die „ungewaschenen“ Teilnehmer der Vergleichsgruppe.

Die vierte Studie

Die Versuchsteilnehmer bekamen zehn verschiedene CDs und mussten damit – entsprechend ihrer eigenen Präferenz – eine Hitliste erstellen. Anschließend durfte sich jeder Teilnehmer entweder die Nummer 5 oder die Nummer 6 als Belohnung aussuchen. Er hatte damit die Wahl zwischen zwei im Prinzip nahezu gleichwertigen Optionen. Dadurch gerieten die Probanden automatisch in einen Gewissenskonflikt.

In einer derartigen Situation zweifelt man nämlich, ob die getroffene Entscheidung auch richtig ist. Stattdessen versuchen die meisten, sich einzureden, dass sie es so sein wird. Wir Psychologen nennen das „kognitive Dissonanz“. Nachdem alle Teilnehmer ihre Wahl getroffen hatten, durfte sich auch bei diesem Experiment eine Hälfte die Hände waschen, die andere nicht.

Fazit: Wer sich die Hände gewaschen hatte, grübelte nicht länger über seine Entscheidung nach, sondern hatte mit dem Thema abgeschlossen.

Die fünfte Studie

Die Probanden sollten sich an eine Pechsträhne erinnern. Die Hälfte von ihnen wusch sich dann die Hände, die andere wiederum nicht. Alle Teilnehmer durften anschließend an einem Glücksspiel teilnehmen, bei dem – mit riskanter Strategie – hohe Gewinne erzielt werden konnten.

Fazit: Die mit den „sauberen“ Händen waren wesentlich risikobereiter als die anderen, denen das Pech quasi gedanklich noch an den Fingern klebte.

All diese Experimente zeigen, dass körperliche Reinigung ein probates Mittel ist, auch psychologischen Ballast abzustreifen. Die Haut übermittelt den reinigenden Effekt ins kognitive Bewusstsein, wo normale Seife nicht hinkommt.

Für uns Psychologen ergibt sich daraus ein interessanter neuer Forschungsansatz, den wir „Embodied Cognition“ nennen. Es ist ein faszinierendes Gebiet, auf dem versucht wird herauszufinden, wie stark körperliche Prozesse und Denkvorgänge miteinander verbunden sind. Wie sehr all das, was am und im Körper abläuft, Auswirkungen auf den kognitiven Bereich, sprich: auf unseren Verstand hat.

Und sei es ganz einfach mit Reinigungsprodukten.

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